3.2 Additive Synthese

3.2.1 Theorie

3.2.1.1 Die Teiltonreihe

Die additive Reihe von Frequenzen (wenn also immer derselbe Hertz-Betrag hinzuaddiert wird), aus der eine Abfolge immer kleinerer Intervalle entsteht, heißt Teiltonreihe:

Sie entsteht ebenso, wenn man dem Experiment von Pythagoras (ca. 570 - ca. 510 v. Chr.) folgt, durch Teilung einer Saite in verschiedene Proportionen:

Die Zahlenverhältnisse beschreiben die Längen der beiden Saitenteile zueinander.

Wird eine Saite als Ganze gestrichen, schwingt sie nicht nur im Ganzen, sondern zugleich in all den weiteren Teilen:

Hier beschreiben die Zahlenverhältnisse die Länge des Teils zur Gesamtlänge der Saite.

Somit klingen auch alle diese Teilschwingungen mit; jeder Klang einer Saite ist also bereits ein Akkord!

Das Besondere an gerade diesem Akkord ist aber, dass alle seine Töne sehr stark miteinander verschmelzen, zumindest wenn ihre Lautstärken nach oben hin abnehmen. Jeder in der Natur vorkommende Ton hat Obertöne, dennoch nehmen wir einer Eigenheit des menschlichen Ohrs zufolge das Ganze als nur einen Ton wahr. 

Andererseits besitzen all diese Schwingungen selbst als Teil einer komplexeren Schwingung keine Obertöne. Einen isolierten Klang ohne Obertöne gibt es in der Natur nicht – mit elektronischen Mitteln kann man sie aber erzeugen. Sie heißen Sinustöne, da ihre Welle diese sinusartige Form hat:

Der Physiker Jean Baptiste Joseph Fourier (1768-1830) fand heraus, dass sich jeder periodische Klang volständig in eine Reihe von Sinustönen (unterschiedlicher Frequenz, Amplitude und Phase) zerlegen lässt, deren Summe mit dem Original identisch ist. Eine solche Analyse und das zugehörige mathematische Verfahren nennt man die Fourier-Analyse bzw. Fourier-Transformation.

Folglich kann man umgekehrt jeden periodischen Klang erstellen, also „synthetisieren“, wenn man mehrere Sinustöne schichtet.

In Pd kann, wie schon gesagt, die Welle eines Sinustons mit dem Objekt „osc~“ erzeugt werden. Sinustöne sind für die Elektronische Musik insofern sehr charakteristisch, weil sie nur mit elektronischen Mitteln erzeugt sind.

Mit mehreren „osc~“-Objekten, deren Frequenzen also eine additive Reihe darstellen, kann man einen Teiltonakkord erstellen:

Grundsätzlich werden die Amplituden nach oben hin zur besseren Verschmelzung meist leiser (jedoch gibt es auch Instrumente, für die es gerade charakteristisch ist, dass manche Obertöne lauter sind als ihre unteren und oberen Nachbarn, zum Beispiel die Klarinette). Die Art der Zusammensetzung von Obertönen und ihren Lautstärken macht die Farbe eines Klanges aus. Als Oberbegriff redet man von seinem Spektrum. (Hinweis: Der Begriff "Teiltöne" beinhaltet die Grundfrequenz, im Gegensatz zu "Obertöne". Das heißt, der erste Teilton ist die Grundfrequenz, der zweite Teilton der erste Oberton, usw.).

Dass die Obertöne im Ohr verschmelzen, realisiert man in dem Moment, in dem die Grundfrequenz bewegt wird:

Wir beschränken uns hier auf die ersten acht Teiltöne.

Selbst wenn wir untere Teiltöne weggelassen, empfinden wir die Grundfrequenz als Grundton, wenn wir sie ändern:

Unser Gehirn schließt eben aus dem übrigen Spektrum auf den Grundton. Diesen nicht vorhandenen Ton nennt man Residualton.

3.2.2 Anwendungen

3.2.2.1 Eine Random-Klangfarbe

patches/3-2-2-1-random-klangfarbe.pd

Aus Platzgründen ist dieses Beispiel auf die ersten sieben Teiltöne beschränkt:

3.2.2.2 Verwandlung einer Klangfarbe in eine andere

patches/3-2-2-2-klangfarbenverwandlung.pd

3.2.2.3 Natürlich vs. temperiert

Betrachten wir noch den Unterschied zwischen natürlichen und temperierten Intervallen (erst die Grundfrequenz eingeben!):

patches/3-2-2-3-natuerlich-temperiert.pd

Die Differenz zwischen natürlicher und temperierter Stimmung in Cent (Hundertstel eines Halbtones) angezeigt:

Wir sehen hier: Der 7. Teilton ist ca. 31 Cent tiefer als die temperierte Sept.

3.2.2.4 Weitere Aufgabenstellungen

Erstellen Sie einen Teiltonakkord mit manipulierten Obertönen, das heißt nicht mehr genauen Obertönen.

3.2.3 Appendix

3.2.3.1 Grenzen von Pd

Das vorige Beispiel der Random-Klangfarbe offenbart auch schon eine Grenze von Pd: Wir können nicht per Zufall die Anzahl der Oszillatoren bestimmen – wir müssen zumindest das Maximum vorab platzieren.

3.2.4 Für besonders Interessierte

3.2.4.1 Studie II

Ein Pionierstück der Elektronischen Musik ist die Studie II von Stockhausen, komponiert 1954. Darin werden nur Sinustöne und deren Gemische in nicht-temperierten Intervallen verwendet. Eine Analyse dieses Stückes sei an dieser Stelle empfohlen!

3.2.4.2 Spektren-Komposition

Der Komponist und Theoretiker Trevor Wishart beschreibt im vierten Kapitel seines Buches „Audible Design“ viele Möglichkeiten der Komposition von Spektren.