3.3 Subtraktive Synthese

3.3.1 Theorie

3.3.1.1 Weißes Rauschen

Claude Debussy entgegnete einmal auf die Frage, wie er komponiere, dass er einfach alle Töne nehme und dann die, die er nicht möge, wieder weglasse. Er nahm die Idee der Filterung vorweg. Anders als die additive Synthese, die quasi vom Atom des Klanges, dem Sinuston, ausgeht, verwendet die subtraktive Synthese zunächst allen Klang und reduziert ihn dann. Allen Klang zu erzeugen ist tatsächlich möglich. Sämtliche Frequenzen auf einmal erhält man, wenn die Membran des Lautsprechers völlig zufällig, chaotisch schwingt. Dafür ist in Pd das Objekt „noise~“ verantwortlich:

noise“ müsste korrekt eigentlich „random~“ lauten, denn es erzeugt 44100 Zufallszahlen pro Sekunde, und zwar Zahlen zwischen -1 und 1, also für Positionen der Membran.

3.3.1.2 Filter

Das Rauschen, das alle Frequenzen enthält, nennt man analog zum Licht „weißes Rauschen“: Das normale, weiße Licht enthält alle Lichtfrequenzen, während zum Beispiel rotes oder blaues Licht durch Filtervorsätze entsteht.

Solche Filter gibt es in Pd auch, etwa den „Lowpass“, der nur die tiefen Frequenzen durchlässt und die hohen unterdrückt. Zur Darstellung verwenden wir nun ein neues Schaubild, das auf der x-Achse die Frequenzen und auf der y-Achse die Amplituden zeigt:

Umgekehrt gibt es den „Highpass“-Filter, der nur hohe Frequenzen durchlässt:

In Pd heißen die Objekte „hip~“ und „lop~“. Als Argument bzw. rechten Input erhalten sie die Frequenz, ab der gefiltert werden soll.

Wie aus den Grafiken zuvor schon ersichtlich war, arbeiten die beiden Filter nicht sonderlich 'steil'. Man kann ihre Wirkung aber verstärken, indem man mehrere hintereinanderschaltet (Kaskade):

Wir müssen die Lautstärke immer wieder neu anpassen, denn Filter reduzieren die eingehende Energie. (Dafür verstärken sie manchmal anderes.)

Eine weitere Filterart ist der „Bandpass“. Hier wird nur ein kleiner Teil um eine Zentralfrequenz herum durchgelassen, eine Art 'Band' von Frequenzen. Als Argumente / Inlets gibt man die Zentralfrequenz und die Stärke des Bandes, genannt „q“.

Theoretisch sollte man mit einem immer stärkeren Band irgendwann beim Sinuston herauskommen:

Wie man allerdings unschwer hören kann, gelingt dies nicht. Ein gewisser Rauschanteil bleibt bei dem Bandpassfilter immer.

3.3.2 Anwendungen

3.3.2.1 Filter-Farben

Als nur ein Beispiel der freien Anwendung von Filtern hier eine zufällige Verteilung von Bandpassfiltern:

patches/3-3-2-1-filterfarben.pd

3.3.2.2 Telefon-Filter

Für die Übertragung von Telefongesprächen hat man ermittelt, dass zur Verständigung ein Ausschnitt zwischen 300 und 3000Hz genügt. Wir können das also nachbauen:

patches/3-3-2-2-telefonfilter.pd

3.3.2.3 Weitere Aufgabenstellungen

Experimentieren Sie mit den Filterungen des „Glissandoorchesters“ (3.1.2.2.4).

3.3.3 Appendix

3.3.3.1 Weißes Rauschen und Klicks

Bei „noise~“ bewegt sich die Membran per Zufall hin und her; beim Ein- und Ausschalten hören wir keinen Klick, denn Noise besteht nur aus mehr oder minder starken Klicks. Wir benötigen hierbei keine „Rampe“ (vgl. 3.1.2.1.2).

3.3.3.2 Rosa Rauschen

Neben dem weißen Rauschen gibt es auch das „rosa“ Rauschen. Das menschliche Ohr hört nicht alle Frequenzbereiche gleich laut. Am besten hört es um 2000Hz herum, darum klingt weißes Rauschen auch eher hoch. In der Tiefe und in der Höhe hören wir wesentlich schlechter. Will man ein Rauschen erzeugen, das der Mensch tatsächlich als gleichmäßiges Summe aller Frequenzen hört, muss dies dem Ohr angepasst werden, müssen vor allem die tiefen Frequenzen also maßgeblich lauter sein als die mittleren. Diese Verteilung nennt man rosa Rauschen und kann in Pd mit „pink~“ erzeugt werden:

3.3.3.3 DC Offset

Bei einer Mikrofoneingabe passiert es häufig, dass eine Grundspannung zum Signal hinzukommt. Man nennt dies „DC-Offset“. Das Resultat ist diese Wellenform:

Dieser Offset entspricht quasi einer unendlich langsamen Welle mit einer gegen 0 gehenden Frequenz, die daher einfach mit einem sehr tief eingestellten Highpassfilter ausgemerzt werden kann:

3.3.4 Für besonders Interessierte

3.3.4.1 Arbeitsweise digitaler Filter

Das 'Innenleben' der digitalen Filter ist kompliziert. Eine Ahnung ihrer Technik soll dennoch gegeben werden: Wie unter 3.1.1.3.1 beschrieben wurde, kann bei einer Samplerate von 44100Hz maximal die Welle von 22050Hz erstellt werden. Bei dieser Welle gibt es nur noch zwei Punkte pro Periode:

patches/3-3-4-1-filterarbeit.pd

Wenn man nun diese Welle einfach um eine Position, also um ein Sample nach vorne oder hinten verschiebt und zu der ursprünglichen addiert, löschen sie einander komplett aus. Diese Verschiebung funktioniert mit „z~“ (Pd-extended).

Nach dieser Idee, der sample-weisen Verschiebung (Delay) und Addition, verfahren digitale Filter. Bei dem „biquad~“-Filter kann man dies von Hand einstellen. Er führt folgende Differenzfunktion durch: y(n)=ff1*w(n) + ff2*w(n-1)+ff3*w(n-2) mit w[n]=x[n]+fb1*x[n-1]+fb2*x[n-2]. n ist hierbei die Sampleposition und ff1, ff2, ff3, fb1 und fb2 frei zu wählende Faktoren. In Pd erhält „biquad~“ entsprechend fünf Argumente für ff1, ff2, ff3, fb1 und fb2. Seine Syntax lautet: „biquad~“ [fb1] [fb2] [ff1] [ff2] [ff3]. Für den eingangs aufgeführten Fall der Welle von 22050 Hertz könnte wir also „biquad~ 0 0 1 1 0“ schreiben. Damit werden hohe Frequenzen unterdrückt, am stärksten die Welle mit 22050 Hertz, die komplett ausgelöscht wird. Folglich also ein Lowpassfilter:

Mit der Biquad-Formel können viele weitere Filterformen erstellt werden. Zum Beispiel haben wir mit den Argumenten 1.41407 -0.9998 1 -1.41421 1 eine „Bandsperre“, die Umkehrung eines Bandpassfilters, die an einer bestimmten Stelle keine Frequenzen durchlässt, in diesem Fall bei 5512.5Hz. Die Erklärung für diese Rechenwege würden aber ein eigenes Buch füllen. In Pd-extended gibt es Objekte („bandpass“, „equalizer“, „highpass“, „highshelf“, „hlshelf“, „lowpass“, „lowshelf“, „notch“), die diese Rechnungen durchführen. Der Vorteil des Biquad-Filters ist, dass wesentlich steilere Filterungen möglich sind als mit „lop~“, „hip~“ und „bp~“. Der Nachteil ist, dass nicht nur manche Frequenzen unterdrückt werden, sondern andere dafür mitunter auch extrem verstärkt werden, bis hin zur „Explosion“ (an der Formel sieht man ja, dass der Filter rekursiv arbeitet).

Beim Biquad-Verfahren konnte man auch sehen, dass Filter Phasenverschiebungen vornehmen. Darum kann z.B. ein „bp~“ nicht einfach zu einem Kerbfilter umgekehrt werden: